Der Wissenstransfer in der Praxis – jeder kennt die Situation: Ein Mitarbeiter besucht ein Seminar, um sich weiterzubilden. In den meisten Unternehmen ist dies ein klassischer Personalentwicklungsprozess. Oft endet dieser Prozess jedoch beim Besuch des Seminars, doch genau hier stellt sich die Frage: Wie können Unternehmen mehr aus einem solchen einfachen Prozess herausholen? Wie kann nicht nur der einzelne Mitarbeiter, sondern das ganze Team und die gesamte Organisation von diesem Seminar profitieren?

In diesem Beitrag werfen wir einen genauen Blick darauf, welche zusätzlichen Schritte nötig sind, um den Wissensgewinn aus einem Seminar optimal für das Unternehmen zu nutzen und wie kulturelle und motivationale Faktoren diesen Prozess beeinflussen können.

Komplettes Webinar zu Wissenstransfer (45 Minuten)

Den Lernprozess erweitern

Der erste Schritt auf diesem Weg beginnt bereits vor dem Seminar. Ein klar definiertes Lernziel ist essenziell. Warum? Ganz einfach: Menschen, die ein klares Ziel vor Augen haben, nehmen mehr aus einem Seminar mit. Sie wissen, worauf sie ihren Fokus legen müssen und welche Inhalte für sie von besonderer Bedeutung sind. Ohne ein solches Ziel kann es schnell passieren, dass der Input und die Reize des Seminars einfach an einem vorbeiziehen. Besonders in erfahrungsbasierten Lernumgebungen, wo zahlreiche Eindrücke gleichzeitig auf den Teilnehmer wirken, ist ein klarer Fokus entscheidend.

Hier sollte sich der Teilnehmer vorab Gedanken machen: Was möchte ich aus dem Seminar für mich und meine Organisation mitnehmen? Nur mit dieser Klarheit kann das Seminar effektiv genutzt werden.

Wissenstransfer - Prozess

Erweiterter Lernprozess: Von der Zieldefinition zur Umsetzungskontrolle

Der nächste Schritt: Das Lernergebnis weitergeben

Nach dem Seminarbesuch endet der Prozess jedoch nicht. Ein weiterer entscheidender Schritt ist die Weitergabe des Lernergebnisses an Kollegen und das Team. Dieser Schritt ist nicht nur für die Organisation wertvoll, sondern auch für den Mitarbeiter selbst. Durch das Erklären und Vermitteln des Gelernten setzt sich der Mitarbeiter noch einmal intensiver mit dem Thema auseinander. Dies schärft das Verständnis und vertieft das Wissen.

Das Teilen von Wissen kann in vielen Formen erfolgen – von kurzen Präsentationen im Team-Meeting über kleine Schulungseinheiten bis hin zu Lernvideos. Wichtig ist, dass der Fokus nicht nur auf dem Individuum liegt, sondern das gesamte Team vom Wissensgewinn profitiert.

Die Umsetzung als Teamaufgabe

Der nächste Schritt im Prozess ist die Anwendung des Gelernten in der Praxis. Hier ist es entscheidend, das neue Wissen als Teamaufgabe zu begreifen. Nur so wird das volle Potenzial entfaltet. Warum? Ein Ziel, das nur gemeinsam erreicht werden kann, fördert die Zusammenarbeit und den kollektiven Erfolg. Es reicht nicht aus, wenn nur eine Person das neue Wissen besitzt – das gesamte Team muss es verstehen und anwenden können.

Erfolgskontrolle: Hat der Wissenstransfer funktioniert?

Am Ende steht die Erfolgskontrolle. War die Umsetzung des Wissens erfolgreich? Hier ist es wichtig zu überprüfen, ob der Transfer in die Praxis funktioniert hat und ob es noch Optimierungsbedarf gibt. Nur so kann der gesamte Prozess nachhaltig im Unternehmen verankert werden.

Motive für den Wissenstransfer

Neben den strukturellen Prozessen gibt es jedoch auch weitere Faktoren, die über den Erfolg des Wissenstransfers entscheiden. Dazu zählen vor allem die Motive der Mitarbeitenden und die Unternehmenskultur. Menschen haben unterschiedliche Gründe, warum sie lernen und Wissen teilen – oder es bewusst für sich behalten. Im Folgenden schauen wir uns drei typische „Personas“ in Unternehmen an:

  • Leo Lerner: Dieser Mitarbeitertypus liebt das Lernen an sich. Er strebt danach, in einem Bereich Meisterschaft zu erlangen, und hat Freude daran, sein Wissen zu erweitern.
  • Peter Pragmatiker: Für diesen Mitarbeiter ist Lernen ein Mittel zum Zweck. Er sieht den Besuch eines Seminars als Karriereförderung oder als Möglichkeit, seine Position im Unternehmen zu stärken. Wissensvorsprünge nutzt er, um sich Vorteile zu verschaffen, beispielsweise durch den Erwerb von Unabhängigkeit oder Macht.
  • Ideal Idealist: Diese Person ist stark auf die Organisation und das Team fokussiert. Sie teilt gerne Wissen und denkt ganzheitlich, oft mit dem Ziel, das Unternehmen und seine Kultur zu fördern.
Wissenstransfer - Motive & Personas

Unternehmenskultur: Lernmotive & Personas

Besonders Peter Pragmatiker neigt dazu, sein Wissen für sich zu behalten, da der Wissensvorsprung seine Machtbasis darstellt. Hier stellt sich die Frage: Wie können wir eine Unternehmenskultur schaffen, in der Wissen offen geteilt wird, ohne dass der Einzelne das Gefühl hat, dadurch Macht oder Status zu verlieren?

Um dies zu erreichen, ist es wichtig, individuelle Wissensvorsprünge nicht zu belohnen. Wenn eine Unternehmenskultur geschaffen wird, in der kollektives Lernen gefördert und Wissensaustausch belohnt wird, profitieren alle davon.

Kulturelle Ansätze zur Förderung des Wissenstransfers

Der erste Schritt ist, die Weitergabe von Wissen zu belohnen. Dieser Grundsatz sollte in jeder Organisation verankert sein: Wissen zu teilen, ist nicht nur erwünscht, sondern wird auch aktiv anerkannt.

Zusätzlich ist es entscheidend, Team- und Organisationsleistungen in den Vordergrund zu rücken. Die Arbeitsergebnisse sollten nicht nur als individuelle Leistungen wahrgenommen werden, sondern vielmehr als das Resultat vernetzter Zusammenarbeit. Dies unterstützt nicht nur den Teamgeist, sondern fördert auch das Verständnis, dass jeder Wissensbeitrag zu einem größeren Ganzen führt.

Von großer Bedeutung ist auch die Art der Zieldefinition. Wenn Ziele auf Augenhöhe festgelegt werden, dann ist für Mitarbeitende der Wissensvorsprung nicht mehr so relevant. Er bleibt nur dann ein erstrebenswertes Motiv, wenn sich Mitarbeitende wie Peter Pragmatiker über Top-Down-Zielvorgaben unter Druck gesetzt fühlen und den Wissensvorsprung zum Erhalt ihrer Unabhängigkeit nutzen.

Wissenstransfer - Prozessbegleitung HR

Prozessbegleitung durch HR

Die Rolle der HR bei der Prozessbegleitung

Ein besonders wichtiger Aspekt ist die Prozessbegleitung, bei der die Personalabteilung (HR) eine wesentliche Rolle spielen kann. Gerade zu Beginn und am Ende eines Wissenstransferprozesses ist Unterstützung erforderlich. Zu Beginn kann HR dabei helfen, die Erwartungen klar zu kommunizieren. Dies bedeutet, dass die Teilnehmenden eines Seminars oder einer Fortbildung bereits im Vorfeld darüber informiert werden, dass sie das erworbene Wissen später im Team teilen sollen.

Ein häufiges Problem in der Praxis ist, dass Mitarbeitende zwar an Fortbildungen oder Seminaren teilnehmen, sich aber nicht im Klaren darüber sind, dass sie danach das Gelernte weitergeben müssen. Wenn diese Erwartung nicht vorher klar ist, kann es zu Frustration führen, wenn nachträglich die Anforderung gestellt wird, das Wissen im Team zu präsentieren. Wird diese Erwartung jedoch von Anfang an deutlich gemacht, verändert sich der gesamte Lernprozess. Teilnehmende gehen dann bewusster mit dem Lernstoff um, sammeln gezielt Materialien und bereiten sich besser auf die spätere Wissensweitergabe vor.

Wissenstransfer über verschiedene Formate hinweg

Der Wissenstransfer beschränkt sich nicht nur auf Seminare. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass Wissen auf vielfältige Weise erworben wird, sei es durch Konferenzen, Workshops oder andere Events. Wenn Mitarbeitende wissen, dass sie das Gelernte teilen müssen, dokumentieren sie den Prozess ganz anders. Sie machen mehr Fotos, sammeln Präsentationen und denken bereits während der Veranstaltung darüber nach, wie sie das Wissen später weitergeben können. Dadurch entsteht ein reicherer und strukturierterer Wissenspool für das gesamte Team. Eine solche Vorbereitung beeinflusst auch die Art und Weise, wie man Wissen aufnimmt. Wer weiß, dass er oder sie später eine Präsentation halten wird, hört nicht nur passiv zu, sondern überlegt aktiv, wie die Informationen didaktisch am besten an das Team weitergegeben werden können.

Damit der Wissenstransfer langfristig gelingt, ist es wichtig die Weitergabe von Wissen als Teil der Teamkultur  und Unternehmenskultur zu etablieren. Beim Workshop Teamentwicklung unterstützen wir Teams dabei Prozesse zur Wissensweitergabe einzuführen. Bei der Beratung Organisationsentwicklung definieren wir Lernstrategien und unterstützen damit die Kulturentwicklung zur lernenden Organisation.